Die juristischen Erfahrungen bei öffentlichen Bauvorhaben (Schulen, KITA's, Bürogebäude) zeigen, wie wichtig es ist, im Werkvertrag die Raumklima- und Raumluftgüte zu definieren. Nicht selten werden utopische Anforderungen festgelegt, die zwar gut gemeint sind, aber über das Ziel hinausschießen können.
Die nachfolgende Vorlage ist ein Vorschlag, der aktuell bei vielen Projekten einvernehmlich und erfolgreich mit öffentlichen Auftraggebern und Bauunternehmen angewendet wird. Es werden realistische Raumluft - Vorgaben für Neubauten definiert unter Maßgabe des behördlich geforderten Gesundheitsschutzes gemäß MVV TB / LBO. Sie dienen der Qualitätsoptimierung und führen zu einem möglichst rechtsicheren Vertragsverhältnis sowie zu einer erfolgreichen Bauabnahme.
Vorlage für Werkverträge für Auftraggeber und Auftragnehmer
Raumklima- und Raumluftgüte
Einleitung
Zum Zeitpunkt der Bauabnahme kann es vorübergehend und wegen kurzzeitig erhöhter Restemissionen durch Farben, Dicht- und Klebstoffe zur Überschreitung von Richtwerten kommen. Grundsätzlich sind umwelt- und gesundheitsverträgliche Baustoffe auszuwählen, die diesbezüglich geprüft wurden. Wir empfehlen die Vermeidung von gefährlichen Inhaltsstoffen in Klebern, Farben, Lacken und Dichtstoffen (z.B. EC 1 plus) und bei den Holzwerkstoffen E1 plus geprüfte Produkte.
Innenraumluftqualität orientiert sich an den Richtwerten in der Handreichung der Ad-hoc-Arbeitsgruppe der Innenraumlufthygiene-Kommission (AIR) des Umweltbundesamtes und der Obersten Landesgesundheitsbehörden. Nach Baufertigstellung hat der AN eine VOC Kontrollmessung durchzuführen. Werden vereinbarte Werte nicht eingehalten, dann bekommt der AN die Gelegenheit emissionsreduzierende Maßnahmen und eine Nachmessung, wie im Folgenden beschrieben, durchzuführen. Der AG liefert hierzu die notwendigen Zielwerte für die gebäudeklassebezogene Lüftungsplanung, entweder für eine mechanische Lüftung oder für eine technische Lüftung/Klimatisierung mit oder ohne Klimasteuerung inkl. Kühlung, Wärmerückgewinnung bzw. Feuchte- oder CO2 Sensoren.
RAUMKLIMA ZIELWERTE
Zwischen dem AG und AN werden Zielwerte für die Raumklimaqualität festgelegt, die sowohl mit oder ohne RLT-Anlagen eingehalten werden sollten (DIN EN 13779, 12792, 15251, VDI 6022 u.a.):
Mögliche Auswahl: Raumluftfeuchte Kategorie 1-4
- Kategorie-1: 30 bis 50 %rF
- Kategorie-2: 25 bis 60 %rF
- Kategorie-3: 20 bis 70 %rF
- Kategorie-4: < 20 bis >70 %rF
Für die Raumluftfeuchte wird der Zielwert der Kategorie-2: 25 bis 60 % rF vereinbart:
Basis für die Planung und Auslegung von Lüftungs- und Klimaanlagen in Nichtwohngebäuden, die für den Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, ist die EN 13779. Sie wird in Deutschland als DIN EN 13779 auch in der VOB/C ATV DIN 18379-3 unter den normativen Verweisungen gelistet.
Für das vorliegende Bauprojekt wird die Raumluftkategorie IDA 2 - mittlere Raumluftqualität (Klassifizierung nach DIN EN 13779:2007-09 (DIN 2007-09) vereinbart:
- Erhöhung der CO2-Konzentration gegenüber der Außenluft (ppm): 400-600
- Absolute CO2-Konzentration in der Innenraumluft (ppm): >800-1000
- Lüftungsrate / Außenluftvolumenstrom: 10-15 l/s Person bzw. >36-54 m3/h Person
RAUMLUFTPRÜFUNG - MESSRAUMVORBEREITUNG
Der AN hat die Raumklima- und Raumluftkontrollmessungen anzubieten und kostenmäßig einzuplanen gem. dem „Merkblatt und Anleitung für eine normgerechte Raumluftmesstechnik zur Kontrolle der Hygienerichtwerte in Wohn-, Schul- und Arbeitsräumen“. (Aktuelle UBA/AIR Richtwerte, Raumluftmessung gemäß Normenreihe DIN EN ISO 16000 Raumklimavorgaben gemäß DIN EN 15251).
Messplanung (Beginn spätestens 4 Wochen vor Messtermin)
- Ständiges Lüften mit LWZ>2
- Aufheizen der Räume (Vorsicht!!! Priorität haben hier die Vorgaben der Baustoffhersteller speziell, wenn es um Trocknungsprozesse geht wie z.B. Anstriche, Klebstoffe, Putze usw.!)
- Emissionsträchtige Arbeiten wie Lackierarbeiten vor Ort (z.B. Treppengeländer) mit lösemittelhaltigen Inhaltsstoffen sollten vermieden werden
Messvorbereitung (Beginn 2 Wochen vor Messtermin)
- Ständiges Lüften mit LWZ>2, wobei hier das aktuelle Außenklima zu beachten ist.
- Wenn RLT- Anlagen vorhanden sind sollten diese nun durchgängig auf höchster Stufe laufen.
- Raumklimazielwerte 21°C und ca. 50% rLF sollten angepeilt werden. Keine emissionsträchtigen Arbeiten mehr durchführen.
- Kleb-, Abdicht- und Silikonarbeiten vermeiden. Grobreinigung des Gebäudes ohne Reinigungsmittel, sondern mit Staubsauger und Wasser mit nebelfeuchtem Tuch.
Die Messraumvorbereitung:
- Im Bauzeitenplan ist zu berücksichtigen, dass 48 h vor der Messung keine Reinigungs- und Bauarbeiten mit emittierenden Stoffen durchgeführt werden. Grobe Baustäube, Baustoffreste und Schutzfolien sind aus den zu messenden Räumen zu entfernen. Auffällige Fehlgerüche, die auf ein Fehlverhalten von Bauausführenden zurückzuführen sind, müssen beschrieben (möglichst ausgebildete Geruchsprüfer) und protokolliert werden.
- Vor dem Messtermin muss eine Baufeinreinigung und Entstaubung mit Hepafilter und eine ausreichende Be- und Entlüftung des Gebäudes und Trocknungsmaßnahmen abgeschlossen werden. Der Raum muss vor der Messung komplett leer sein. Partikelmessungen bis 0,3 µm/m3 (vor und nach der Reinigung mit Hepa Filtergeräten) müssen durchgeführt und protokolliert werden, um die Reinigungserfolge nachweisen zu können.
- Bei einem Einsatz von RLT-Anlagen (Rohrleitungen) müssen deren Funktionstüchtigkeit und Staubfreiheit und ein Filterwechsel kurz vor dem Messtermin garantiert werden. Sind Klima-Regulierungen vorhanden bzgl. Temperatur, Feuchte oder CO2, sind die Normalwerte gemäß DIN EN 15251 einzuhalten. Sind keine RLT-Anlagen vorhanden, sind diese Klimanormwerte ebenfalls einzuhalten und zu protokollieren, damit der AN den Messtermin einplanen kann.
- Können die Raumklimaparameter wie Raumlufttemperatur 19-25 °C, Raumluftfeuchte < 65 % rel. LF und CO2 < 1000 ppm nicht eingehalten werden, kann der AN die Messung verschieben. Erst wenn die Raumklima-Zielwerte eingestellt sind, kann eine Raumluftmessung in den Messräumen durchgeführt werden.
- Die zu messenden Räume, die angrenzenden Flure und Räume und die Treppenhäuser müssen vor der Messung beschattet werden. Ansonsten darf nur mit Zustimmung des AN gemessen werden.
- Vor der Messung dürfen keine Möbel wie Küchen oder Einbauschränke fest eingebaut werden. Ansonsten ist dies nur mit Zustimmung des AN möglich.
- Ca. 8 Std. vor der (WorstCase) Langzeitmessung werden die zu messenden Räume ca. 10 min. quergelüftet. Zudem wird nach der ersten Messung wieder ca. 10 min. quergelüftet und anschließend wird eine Kurzzeitmessung innerhalb einer einstündigen Verschlusszeit durchgeführt.
- Das Betreten des gesamten Gebäudes durch Unbefugte muss vor und während der Messung ausgeschlossen sein. Für die zu messenden Räume muss auf der Tür ein Messprotokoll ausgehängt werden. Da dies oftmals im Baubetrieb nicht möglich ist, sollte bestenfalls an baufreien Tagen oder an Wochenenden, Feiertagen gemessen werden.
- Für die Messung werden TENAX und DNPH Messröhrchen vorgesehen und die Messung wird gem. Normenreihe DIN ISO 16000 durch einen vom AN beauftragten Messingenieur durchgeführt. Für die Laborauswertung wird ein akkreditiertes Labor beauftragt.
EINZUHALTENDER TVOC SUMMENWERT
- Stufe 1: TVOC-Wert < 0,3 mg/m3
- Stufe 2: TVOC-Wert >0,3–1 mg/m3 (vereinbarter Übergabewert – keine weiteren Maßnahmen)
- Stufe 3: TVOC-Wert >1–3 mg/m3 (vorläufiger Toleranzwert – weitere Maßnahmen sind nötig)
- Stufe 4: TVOC-Wert >3–10 mg/m3: hygienisch bedenklich
- Stufe 5: TVOC-Wert >10-25 mg/m3: hygienisch inakzeptabel
Der TVOC Langzeitmesswert (Probenahme jeweils nach ca. 8 Std. und im Nutzungsstatus nach 1 Std. Verschlusszeit) sollte als Übergabe- und Zielwert für das neu erstellte Gebäude < 1 mg/m3 betragen. Wenn keine Einzelstoffrichtwerte RW ll überschritten werden, sind keine weiteren Maßnahmen durch den AN nötig und die Übergabe kann erfolgen. Lüftungsanlagen dürfen wie im Nutzungsstatus zugeschalten werden.
Liegt der Langzeitmesswert zwischen 1 – 3 mg/m3 sind lüftungstechnische Maßnahmen oder eine Lüftungsplanung für mechanische Lüftungsintervalle vom AN auszuarbeiten. Als Nachweis gilt die Kurzzeitmesswerte bei einstündiger Verschlusszeit < 1 mg/m3 bei gleichzeitiger Einhaltung der Einzelstoffrichtwerte. Die Bauabnahme ist diesbezüglich möglich.
Liegt der Langzeitmesswert > 3 mg/m3 muss der AN mit emissionsreduzierenden Maßnahmen beginnen. Insbesondere kann der AN Trocknungsmaßnahmen, Lüftungsaktionen und andere Reduzierungsmaßnahmen durchführen und anschließend, nach einer natürlichen Abklingzeit der baustoffbedingten Emissionen, eine weitere Kontrollmessung durchführen.
EINZUHALTENDE VOC EINZELRICHTWERTE (AKT. UBA RICHTWERTE-LISTE)
Die vereinbarten Zielwerte für alle richtwertbezogenen Einzelverbindungen sollen in den neu erstellten Räumen < RW ll sein. Ist ein Einzelstoffmesswert bei einer Langzeitmessung über dem RW l, dann müssen die Werte der Kurzzeitmessung berücksichtigt werden und diese sollten dann < RW l sein. Liegen Einzelstoffwerte bei einer Kurzzeitmessung > RW l müssen die Ursachen, die Emissionsquellen oder unzulässige Raumklimafaktoren gesucht und vermieden werden. Sind die Werte bei Kurzzeitmessungen, d.h. unter Nutzungsbedingungen zwischen RW l und RW ll, können bei Einhaltung der vom Sachverständigen/Prüfingenieur vorgeschlagenen Lüftungsintervalle (Fensterlüftung, Querlüftung ca. 5-10 min.), die Räume bezogen werden. Weitere Kontrollmessungen bzgl. der Dokumentation der Abklingraten sind vom AN durchzuführen, wenn ein Einzelstoffrichtwert über RW ll und der Summenleitwert über Stufe 4 liegt.
Der Raumluftwert für Formaldehyd < 0,1 mg/m3 ist einzuhalten.
HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN BEI VORLIEGEN DER MESSERGEBNISSE
- Werden die ERW II oder der vorgegebene TVOC-Zielwert unterschritten, wird die Nutzung freigegeben.
- Werden die ERW II eingehalten und liegt der TVOC-Wert über 1.500 μg/m3, muss der Auftragnehmer (AN) vermehrt querlüften (nach Maßgabe des Messingenieurs) und eine weitere Kontrollmessung nach Absprache mit dem Auftraggeber durchführen, um die Abklingraten der Emissionen zu dokumentieren. Die Gebäudenutzung kann unter diesen Voraussetzungen freigegeben werden.
Hinweis: aufgrund der anerkannten Messunsicherheiten (Labor und Probenahme) - Werden die ERW II und der TVOC-Wert von 1.500 μg/m3 überschritten, muss der AN vermehrt querlüften (nach Maßgabe des Messingenieurs) und emissionsreduzierende Maßnahmen und eine kurzfristige Nachmessung nach Absprache mit dem Auftraggeber durchfuhren.
Autoren: Karl-Heinz Weinisch, Dipl.-Ing. Waldemar Bothe, Dipl.-Ing. Robert Simon
Stand der Vorlage: Oktober 2020.
Durch neue Erkenntnisse und Änderungen in der Gesetzgebung kann sich die Notwendigkeit von Änderungen ergeben. Bitte fordern Sie stets die aktuelle Version an.
Quellen
Bildquelle: Titelbild von Waldemar Bothe