Aktuell kommt es gehäuft zu Baukonflikten wegen Feuchte- und Schimmelproblemen und ungerechtfertigten Mängel- und Rechtsstreitfällen im Neubaubereich und bei Sanierungen. Wir registrieren mit Sorge eine Häufung von Fehleinschätzungen und fordern eine normensichere und wissenschaftsbasierte Beurteilung von Indizienmessungen bei diesen Fällen. Im folgenden Interview bezieht der Holzbauexperte Dipl.-Ing. Robert Simon (Holz- und Messtechnik) Stellung zum Einsatz von Messgeräten sowie Schimmelspürhunden.

H-u-R (Holz und Raumluft) Redaktion: Herr Simon, immer wieder werden irrtümlicherweise Böden, Wände oder Decken in neuen Holzgebäuden großflächig zurückgebaut, weil ein Schimmelspürhund einen vermeintlichen Schaden entdeckt hat, der sich später als Irrtum herausstellt. Welche Erfahrungen haben Sie bei Mängelanzeigen wegen Baufeuchte und Schimmelpilzverdacht gemacht?

Robert Simon: Hundeführer und Sachverständige verlassen sich manchmal zu schnell und daher leichtfertig auf das Anschlagen eines Schimmelpilzspürhundes und empfehlen aufwendige Bauteilöffnungen, ohne dass vorher weitere Messungen oder minimalinvasive Probenahmen zur Beweisführung durchgeführt wurden.

H-u-R Redaktion: Wann halten Sie den Einsatz eines Schimmelspürhundes für sinnvoll?

Robert Simon: Wir arbeiten gerne mit Spürhunden, wenn es um die geruchsbezogene Quellensuche in Gebäuden mit mehrschichtigen Wand- oder Deckenkonstruktionen oder Estrichen geht, und wenn wir mit unseren geschulten Nasen nicht weiterkommen. Uns hilft der Schimmelspürhund, kniffligen und versteckten Feuchte- oder Schimmelbefall zu lokalisieren, da der Hund in der Lage ist, Gerüche wie die mikrobiell verursachten flüchtigen organischen Verbindungen bereits in geringen Konzentrationen in der Raumluft wahrzunehmen, um dann möglichst exakt den Entstehungsort des Schimmelpilzgeruchs zu markieren.

H-u-R Redaktion: Sind Schimmelspürhunde für Ihre Arbeit als Sachverständiger unentbehrlich?

Robert Simon: Aus meiner Sicht kann der Einsatz eines Schimmelspürhundes neben vielen weiteren orientierenden Messgeräten sehr wohl eine wertvolle Unterstützung im Zuge einer Gebäudebestandsaufnahme sein, z.B. um ein möglichst detailliertes Bild vom Zustand des Gebäudes bezüglich einer fraglichen Feuchte- und Schimmelpilzquelle zu erhalten und um die Suche zu verkürzen bzw. zu erleichtern.

Schimmelspürhund Franzi - Besemer Ausbau und Fassade GbR - bei der Suche nach einem verstecktem Schimmelgeruch

H-u-R Redaktion: Warum ist es nötig, dass sich Sachverständige ein möglichst detailliertes Bild verschaffen?

Robert Simon: Sachverständige sollten sich nicht nur auf einzelne Indizien verlassen, um die Wahrheit herauszufinden, denn wenn es um eine potenzielle Schimmelpilzgefahr geht, kann eine falsche Expertise weitreichende Folgen haben. Je detaillierter die Analyse stattfindet, umso rechtssicherer kann eine Bewertung erstellt werden. Wir müssen als Sachverständige bedenken, dass unsere Bewertungen extreme Sanierungsmaßnahmen bis hin zum kompletten Rückbau von Bauteilen zur Folge haben können. Wir stellen oft fest, dass durch falsche Gefährdungseinschätzungen unnötig Ängste geschürt werden, die zu übertriebenen Forderungen gegenüber Baufirmen führen. Um kein Fehlurteil abzugeben, sollten sich daher Sachverständige nicht nur auf den Anfangsverdacht wie Schimmelgerüche oder Markierungen durch Schimmelspürhunde verlassen, sondern zusätzlich und Beweis führend auf fundierte und validierbare Fakten, wenn sie solche weitreichenden Bewertungen abgeben.

H-u-R Redaktion: Welche Analyse Methoden verwenden sie bei der Bestandsaufnahme eines Schimmelfalls?

Robert Simon: Aus meiner Sicht ist in 90 % aller Fälle die Sachlage sehr einfach, da der Schimmelbefall, beispielsweise an Wandoberflächen, leicht erkennbar ist, und bei solch sicheren Prüf- und Beweislagen sind dann weitere Bestandsaufnahmen in der Regel nicht nötig.
Dies trifft natürlich nur zu, wenn die Beauftragung alleinig die Bestätigung des Vorhandenseins und die Bestimmung der Schimmelart beispielsweise wegen Kondensatbildung beinhaltet. Sollte beispielsweise wegen eines ungeklärten Schadwasserverlaufs im Gebäude die Ursachen- und Quellensuche erweitert werden, auch um dann die haftenden Verursacher benennen zu können, dann müssen rechtssichere und umfangreiche Untersuchungen durchgeführt werden. Nicht jeder geringfügige Pilzgeruch ist gesundheitsproblematisch und vor allem dann nicht, wenn er von einem schon längst ausgetrockneten, kleinflächigen und inzwischen inaktiven Befall herrührt und im Bauteil geruchssicher verkapselt ist. Trotzdem kann der Schimmelspürhund den Pilzgeruch aufspüren und dadurch wurde schon öfter ein Rechtsstreit wegen solchen Fehleinschätzungen ausgelöst, obwohl anschließend bei Raumluftmessungen keine auffälligen Werte ermittelt werden konnten. Eine Mängelanzeige hätte in solch einem Fall keine rechtliche Grundlage.

H-u-R Redaktion: Können Sie einen typischen Pilzbefall wegen kurzzeitig zu hoher Neubaufeuchte beschreiben, um die Problematik und die Lösungsschritte bei solch einfach zu sanierendem Pilzbefall zu verdeutlichen?

Robert Simon: Ein typischer Fall in der aktuellen Jahreszeit sind Schimmelpilzbildungen in ungedämmten Dachgeschossen. Diese treten oftmals auf, wenn sich Kondensat an organischen Oberflächen bildet was wiederum das Schimmel- und Pilzwachstum fördert. Bei solchen Fällen bildet sich ein Pilzbefall oftmals nur gut sichtbar auf den Oberflächen (Sparren, Beplankungen, Zwischensparrendämmung) und eine Entscheidung, ob Schimmel- und/oder Pilzbefall vorhanden ist oder nicht entfällt logischerweise. Neben den hygienischen Erfordernissen ist dann zu klären, wer für die Kondensat- und Schimmelbildung verantwortlich ist. Oder konkreter gesagt, welche Firma oder welche Haftpflichtversicherung für die Kosten der Sanierung aufkommt. Aus bautechnischer Sicht kann ein Schimmelbefall in einem Kaltdach zum einen durch unzureichende Belüftung des Kaltdachs und zum anderen durch Leckagen zum darunterliegenden Wohnraum oder offene Dacheinstiegstreppen entstehen. Oftmals trifft im Schadensfall beides zu. Wir lassen jedoch die Möglichkeit, dass Feuchte auch über ein undichtes Dach einlaufen könnte jetzt mal ausgeblendet.

H-u-R Redaktion: Wie gehen Sie nun in einem solchen Fall vor?

Robert Simon: Zu Beginn müssen das Ausmaß des Schimmelpilzbefalls erfasst und dokumentiert sowie eine Gefährdungseinschätzung erstellt werden.
Parallel dazu ist die Ursache des Schimmelpilzwachstums zu finden und zu beseitigen.
Je nach Nutzungsklasse der betroffenen Bereiche kann es gleich zu Beginn nötig sein, eine Schimmel- und Pilzanalyse durchzuführen, um aufgrund der Analyse der Partikelkonzentrationen in der Raumluft und der Bestimmung der Gattung und Art der vorhandenen Schimmelpilze entsprechende Schutzmaßnahmen für Gebäudenutzer anzuordnen.

H-u-R Redaktion: Was bedeuten „Nutzungsklassen“?

Robert Simon: 2017 hat das Umweltbundesamt in seinem Schimmelpilzleitfaden zur Vorbeugung Erfassung und Sanierung von Schimmelbefall in Gebäuden zum ersten Mal verschiedene Nutzungsklassen definiert. Für diese 4 festgelegten Nutzungsklassen gelten im Hinblick auf die hygienischen Anforderungen und die empfohlenen Sanierungsmaßnahmen abgestufte Handlungsanweisungen.
Dies spielt vor allem bei der Bewertung von Laboranalysen eine entscheidende Rolle.
Betrachten wir zum Beispiel Kindergartenräume, die der Nutzungsklasse 2 entsprechen. Anhand der entsprechenden Bewertungshilfe im UBA-Leitfaden kann ein Gutachter in einem Schimmelpilzgutachten mit Luftprobenahme und anschließender Laboranalyse inklusive Bestimmung der Art und Anzahl von Keimen zum Ergebnis kommen, dass eine Innenraumquelle wahrscheinlich ist. Dies hätte möglicherweise zur Folge, dass der Kindergarten umgehend geschlossen und entsprechende Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden müssten.
Ein quantitativ gleiches Laborergebnis in einem Kaltdach (Nutzungsklasse 3 oder 4) hätte unter bestimmten Umständen kaum Auswirkungen auf die Nutzer des Gebäudes. Die Nutzungsklasse hat daher extreme Auswirkungen auf den Sanierungsumfang und die Dringlichkeit zur Durchführung einer Sanierung, welche in der folgenden Tabelle definiert wird.

Quelle: Leitfaden - Zur Vorbeugung, Erfassung und Sanierung von Schimmelbefall in Gebäuden; Umweltbundesamt 2017; Seite 125

H-u-R Redaktion: Das bedeutet ja, dass die Bewertung eines Schimmelvorkommens sehr differenziert durchgeführt werden muss? Inwieweit kann dann ein Schimmelspürhund hier rechtssichere Hilfe bieten?

Robert Simon: Die Nase eines Hundes hat viel mehr Geruchszellen als die des Menschen. Er ist sensibler bei verstecktem Pilzwachstum und riecht schon das kleinste Vorkommen. Schlägt der Spürhund mal nicht an, kann sich der Sachverständige aber das Messen einer Wand oder Decke dennoch nicht sparen, da es sich lediglich um ein Indiz aber noch um keinen Beweis handelt. Weil sich Feuchte oder Pilze auch hinter einer geruchs- oder feuchteundurchlässigen Schicht befinden könnten, sind zusätzliche Feuchte- oder Leckage-Untersuchungen immer sinnvoll. Der Spürhund unterscheidet gemäß unseren Erfahrungen nicht, ob ein geringfügiger Pilzgeruch umwelt- oder materialgefährdend ist. Immer öfter kommt es vor, dass gut ausgebildete Spürhunde auch bei inaktiven Umweltpilzen anschlagen, obwohl sie im Analyseverfahren weder als gesundheitsgefährdend oder Material- gefährdend eingestuft wurden. Deshalb sollten Schimmelspürhunde von einem erfahrenen Sachverständigen begleitet werden, der die zusätzlichen Beweise durch Messtechnik rechtssicher nachliefert und um die Indizien in akkreditierten Laboren zusätzlich prüfen zu lassen.

H-u-R Redaktion: Ist das Anschlagen eines Schimmelspürhundes an Bauteilen ein Beweis für einen Schimmelbefall im Estrich oder in Holzständerwänden?

Robert Simon: Nein, denn während der Bauzeit könnten sich Schimmelpilze durch normale Feuchte- und Trocknungsverläufe zwar gebildet haben, dennoch sind solche meist „ausgetrockneten“ und inaktiven Mikroorganismen (MO = Schimmel und Bakterien) in Bauteilen weder gesundheits- noch materialgefährdend und daher stellen entsprechende „Befunde“ keinen sanierungsbedürftigen Mangel dar. Jedoch passiert es immer wieder, dass ein Hund dies als einen „falschpositiven Befund“ anzeigt. Wenn in allerdings sehr seltenen Fällen unzureichende Trocknungen in Bauteilen stattfanden, kann es zwar kurzzeitig zu kaum auffälligen Gerüchen durch inaktive MO im Bauteil kommen, die aber gemäß unseren messtechnischen Erfahrungen in der Raumluft nicht mehr nachweisbar sind und daher auch keinen Mangel darstellen. Wir empfehlen daher, nur gut ausgebildete Schimmelspürhunde einzusetzen deren Begleiter und Sachverständige keine vorschnellen Spekulationen über ein Schadensausmaß machen.
In Holzgebäuden kommt es während der Bautrocknung materialbedingt zu anderen mikrobiellen Prozessen wie in Steingebäuden. Wir vermuten schon lange, dass manche Spürhunde in Holzgebäuden zu falsch positiven Ergebnissen neigen, wenn sie nicht oder zu selten in Holzgebäuden ausgebildet oder eingesetzt wurden.

H-u-R Redaktion: Was sollten Architekten und Holzbauunternehmen beachten, wenn sie zum Rückbau von Estrichen oder Beplankungen aufgefordert werden, weil ein Schimmelspürhund dort angeschlagen hat?

Robert Simon: In einem solchen Fall macht das UBA glücklicherweise eine sehr eindeutige Aussage:

„Eine Entscheidung für eine Sanierung der betroffenen Innenräume darf alleine aus der Markierung des Schimmelspürhundes nicht abgeleitet werden, sondern es müssen weitere Untersuchungen durchgeführt werden, wie Bauteilöffnungen an vermuteten Befallsstellen und ggf. mikrobiologische Untersuchungen. Erst dann ist eine Entscheidung über die Sanierung zu treffen.“ (1)

Wobei es bei den Bauteilöffnungen um kleinstmögliche Öffnungen geht, wie zum Beispiel Bohrlöcher für Messsonden oder eine Öffnung mit einem Kreisbohrer. Leider sehen wir in der Praxis immer häufiger, dass ein Schimmelhundführer, dessen Hund beispielsweise die Decke eines Raumes anbellt, diese großflächig öffnen lässt, allein aufgrund der Reaktion des Hundes und ohne minimalinvasive Untersuchung.
In solchen Fällen empfehle ich die Einholung einer Zweitmeinung. Eine rechtssichere Vorgehensweise wäre hier, dass aufgrund des Anschlagens des Hundes zuerst nicht-invasive Sensormessgeräte (Mikrowellen basierend, dielektrische Technik etc.) zum Einsatz kommen und nur bei Verdacht eine kleine Öffnung an der Decke erstellt wird und dort weitere Untersuchungen wie Materialfeuchtemessungen, Materialprobenahmen zur mikroskopischen Kontrolle auf einen Befall (Klärung: schadensfreier Befall oder schadensträchtige Kontamination!) oder eine Glasbeprobung für eine Geruchsprüfung durchgeführt werden.

Zerstörungsfreie Messung von Materialfeuchtigkeit an der Decke

H-u-R Redaktion: Was bleibt als Schlusswort und Empfehlung für Bauherrschaften, Zimmerer und Architekten?

Robert Simon: Weil es bei solchen Schadensbefunden oftmals um sehr viel geht, raten wir dringend zur Einholung einer Zweitmeinung, sobald irgendwelche Zweifel am Schimmelpilzgutachten im Raum stehen. Kurzzeitiger Wassereintritt oder Feuchtekondensat während der Bauzeit oder bei der Nutzung werden immer auch einen mikrobiellen Prozess starten, der jedoch selbst in verkapselten Bauteilzonen fast immer schadensfrei endet, weil die Feuchtewerte durch den Baufortschritt und die natürliche Trocknung schnell sinken. Wenn Sie bei einem Baukonflikt unsicher sind, können Sie gerne mit mir Kontakt aufnehmen.

Eine weitere Zusammenfassung zu den Kosten, Vorteilen und Ergebnissen von Schimmelspürhunden erhalten Sie über das YouTube-Video: Schimmelspürhund - Kosten, Vorteile, Ergebnis


Abkürzungen
H-u-R Redaktion: Redaktion der Seite www.holz-und-raumluft.de

Bildquellen
Karl-Heinz Weinisch, Waldemar Bothe, Robert Simon

Quellenangaben
(1) Umweltbundesamt: Leitfaden - Zur Vorbeugung, Erfassung und Sanierung von Schimmelbefall in Gebäuden; 2017; Seite 99;